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Laudatio von Helmut Schmidt auf Kulturpreisträger Manfred Stolpe

Laudatio von Helmut Schmidt auf Kulturpreisträger Manfred Stolpe (Bild: Europäische Kulturstiftung)

Bei der Verleihung des Europäischen Kulturpreises an Brandenburgs ehemaligen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe, am 7. Februar 2012 in der Humboldt-Universität zu Berlin, hielt Alt-Bundeskanzler Dr. h.c. Helmut Schmidt die Laudatio. Wir veröffentlichten Schmidts Rede auf Stolpe nachfolgend. 

Laudation von Helmut Schmidt auf Manfred Stolpe
anlässlich der Kulturpreisverleihung am 7. Februar 2012 in der Humboldt-Universität Berlin

 

Dafür, dass ich heute die Preisrede auf meinen Freund Manfred Stolpe halten darf, bin ich der Europäischen Kulturstiftung „Pro Europa“ durchaus dankbar. Denn ich kenne und schätze den Preisträger seit drei Jahrzehnten.

Wenn ich es richtig erinnere, lieber Herr Stolpe, dann haben wir uns am Beginn der 1980er Jahre in Bonn kennengelernt, vielleicht war es 1981. Gemeinsam mit dem Bischof Schönherr haben Sie damals als Vorstand des Bundes der evangelischen Kirche in der DDR den damaligen Bundeskanzler zu einem längeren Gespräch besucht. Zwar ist mir der Anlass für das Gespräch entfallen, aber an einen mir höchst wichtigen Punkt kann ich mich sehr gut erinnern: Weil ich unter dem Eindruck einer möglicherweise bevorstehenden sowjetischen Intervention in Polen stand, habe ich Sie beide eindringlich gebeten, der Führung der DDR, „so hoch wie Ihnen nur möglich“, meinen Appell zu übermitteln, sie möge sich um „Gottes Willen nicht mit ihren militärischen Kräften an einer sowjetischen Intervention beteiligen“. Mein Motiv war natürlich, dass anderenfalls eine langfristig in die Zukunft wirkende zusätzliche Belastung des deutsch-polnischen Verhältnisses unvermeidlich sein würde. Meine Vorstellung war, dass Sie nach Rückkehr nach Ostberlin dort zu berichten haben würden, sei es auf dem für mich selbstverständlichen Wege über das Ministerium für Staatssicherheit oder vielleicht auf anderem Wege. Ich schicke diese Erinnerung deswegen gern voraus, weil mir in den frühen 1990er Jahren mehrere Verdächtigungen Stolpes wegen angeblicher Stasi-Mitarbeit ein ekelerregendes Ärgernis gewesen sind. Denn nach meinem Ausscheiden aus öffentlichen Ämtern hatte ich in den 1980er Jahren – immer von Stolpe vermittelt und organisiert – fast jedes Jahr einmal in Kirchen in der DDR Vorträge und Diskussionen halten können. Stolpe ist dabei erhebliche persönliche Risiken eingegangen. Denn die Gefahr, dass meine Vorträge ein spontanes Aufbegehren der Zuhörer und damit das Risiko staatlicher Repression auslösen konnten, diese Gefahr war natürlich sowohl ihm als auch mir deutlich bewusst. So erinnere ich mich besonders an einen Vortrag in der Nikolaikirche in Potsdam. Die emotionale Spannung im Publikum wurde geradezu körperlich spürbar; meine Frau und Manfred Stolpe, nebeneinander sitzend, haben sich damals gegenseitig beruhigt - sie haben auch gemeinsam aufgeatmet, als ich, die Gefahr erkennend, den Ton meiner Rede gedämpft habe. So habe ich Manfred Stolpe lange vor dem Fall der Mauer als engagierten Mann der Kirche kennengelernt –als einen, der sich für die Menschen in der Kirche eingesetzt und der vielen, die in Not waren, konkret geholfen hat. Viele Menschen in der DDR haben sich damals auf ihn verlassen können. Und er ist der Verantwortung gerecht geworden, die mit solchem Vertrauen immer verbunden sein muss. Der nach 1989 mehrfach aufgetretenen Kritik habe ich stets widersprochen; zumeist resultierte sie aus Unwissenheit, zum Teil aber auch aus scheinheiliger Besserwisserei. Wer in einem diktatorischen Staatssystem anderen aus Bedrängnis helfen will, der kann dies nur auf Wegen tun, die sich in kein rigoroses Schwarz-Weiß-Schema einordnen lassen. Ich selbst habe dergleichen nach dem 20. Juli 1944 in einem anderen diktatorischen System dankbar erleben können. Wegen des heutigen Preises liegt mir am Herzen zu betonen, wie sehr Herr Stolpe eben auch in der langen ersten Hälfte seines Lebens, die 1990 an ihr Ende kam, maßgebend dazu beigetragen hat, die Beziehungen zu den Kirchen in Polen, in der damaligen Tschechoslowakei, in Bulgarien und Rumänien, zur orthodoxen Kirche in der Sowjetunion, aber eben auch zu den Kirchenräten in Holland, Frankreich und in England zu pflegen. Manfred Stolpe war eben auch in der ersten Hälfte seines Lebens in der gegen Westen abgeschlossenen DDR ein Mann von europäisch-solidarischer Gesinnung. Und es war nicht nur Gesinnung, sondern es waren viele gemeinsame Projekte, es waren auch persönliche Begegnungen. Sie haben Vertrauen geschaffen zwischen Menschen in der DDR und vielen Menschen im Osten Mitteleuropas. Wenn der Bund der evangelischen Kirchen in jener Zeit das Schlagwort „Kirche im Sozialismus“ geprägt hat, so hat dieses Wort immer die gesellschaftliche Verantwortung und das Bewusstsein der Verpflichtung zur Verständigung und hoffentlich Versöhnung mit den Nachbarn eingeschlossen. Nach der großen Wende 1989/90 und dann in der einstweilen kürzeren zweiten Hälfte seines Lebens , nach seinem Wechsel in die Politik, konnte Manfred Stolpe erstmalig ungehindert von staatlichen Repressionen, von Geheimdiensten und Staatssicherheit weit über den Bereich der Kirchen hinaus vielfältige Initiativen und Aktivitäten ergreifen, um der transnationalen Verständigung zu dienen. Dazu gehört z.B. Artikel 2 der Brandenburgischen Landesverfassung von 1992. Nicht alle der dem Regime oppositionell gegenüberstehenden Menschen in der DDR haben ebenso früh wie Stolpe die deutsche Notwendigkeit der europäischen Integration begriffen; und nicht alle haben ihr in gleicher Weise gedient.

Deutschland hat mehr europäische Nationalstaaten zu unmittelbaren Nachbarn als alle anderen europäischen Nationen – und dazu kommen die entfernteren Nachbarn wie Russland oder Schweden oder Italien oder England. Natürlich hat für einen in Szczecin (Stettin) geborenen Preußen und für einen Brandenburger die Verständigung mit den polnischen Nachbarn die erste Priorität. Manfred Stolpe hat die EU-Mitgliedschaft Polens von Anfang an aktiv unterstützt. Angesichts des immer noch latenten Argwohns mancher Polen ist diese Verständigung kein leichter Prozess. Denn das Unheil, das die Polen im Laufe der letzten zweieinhalb Jahrhunderte von Preußen, von Russland und von Österreich-Ungarn erfahren haben, die vielerlei Teilungen und schließlich die Verschiebung des polnischen Staatsgebietes und die Umsiedlung und Flucht von Millionen polnischer und deutscher Menschen in westliche Richtung ,
ist mindestens im kollektiven Unterbewusstsein unseres Nachbarvolkes geblieben – und dieses Unterbewusstsein könnte leicht wieder bewusst gemacht werden. Stolpe hat dies immer gewusst. Deshalb hat er auf vielfache Weise den Dialog nicht nur zwischen den Regierenden, sondern auch zwischen den Regierten in Gang gebracht. Er hat zahlreiche Plattformen initiiert und etabliert, ob an der Universität Viadrina in Frankfurt/Oder, ob im Naturschutz oder im Katastrophenschutz oder ob in der Zusammenarbeit zwischen deutschen und polnischen Staatsanwälten und Gerichten. Die Universität Szczecin (Stettin) hat ihn deshalb schon 1996 mit der Würde eines Ehrendoktorats ausgezeichnet.
Dem ehemaligen Preußen und heutigen Brandenburger legt es die geschichtliche Entwicklung der letzten drei Jahrhunderte nahe, über die polnischen Ostgrenzen hinweg Verständigung ebenso mit den Russen zu suchen. Auch dafür hat Herr Stolpe auf vielfache Weise Initiative ergriffen, so z.B. durch vielerlei regionale und Städtepartnerschaften oder z.B. durch seine aktive Mitwirkung im Petersburg er Dialog. Mich hat sehr beeindruckt, dass er als Brandenburgs Ministerpräsident im Anfang der 1990er Jahre einen freundschaftlichen Kontakt zu den damals noch im Osten Deutschlands stationierten sowjetischen Streitkräften aufgebaut und im August 1991 das Gespräch mit dem damaligen Oberkommandierenden der Westgruppe der Sowjetarmee, Generaloberst Burlakow, gesucht hat. Ihm ist es zum 50. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion gelungen, Soldaten der Bundeswehr und Soldaten der Sowjetarmee zum gemeinsamen Gedenken zusammenzubringen. Der Ministerpräsident hat vermocht, einen freundschaftlichen und vertrauensvollen Dialog gleichzeitig mit Polen und mit Russen zu führen. Diese Gleichzeitigkeit und Gleichrangigkeit ist keine leichte Aufgabe. Ich habe dies im letzten Sommer abermals ganz deutlich empfunden, als ich kurz nacheinander ein langes privates Gespräch mit Michail Gorbatschow und ein langes Gespräch mit Lech Walesa geführt hatte. Wir Deutschen haben ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis zu Polen dringend nötig, wir haben gleichzeitig ein gutes Verhältnis zu Russland dringend nötig. Aber viele Polen werden irritiert, wenn zwischen Deutschen und Russen ein gutes Verständnis besteht, und manche Russen sind irritiert, wenn viele Polen und viele Deutsche sich miteinander verständigen. Wer als Deutscher gegenüber beiden einander benachbarten Nationen gleichermaßen Verständigung und Zusammenarbeit sucht, der hat Offenheit gegenüber beiden Nachbarn notwendig. Und außerdem braucht er diplomatisches Fingerspitzengefühl. Für uns Deutsche wartet hier auch in Zukunft eine schwierige Aufgabe – und ein schwieriges Stück Arbeit. Wir müssen unseren Partnern im Westen und im Süden Europas diese Aufgabe erläutern – und wir müssen bei ihnen darum werben, dies e Aufgabe zu verstehen und zu billigen, auch wenn sie zwangsläufig über die Grenzen der Europäischen Union hinausreicht. Die gegenwärtige Krise der Entschlussfähigkeit der Organe der Europäischen Union könnte ein nes Miteinander der Mensch en in Europa gefährden, sie könnte nationale Egoismen und Eitelkeiten aufleben lassen. Deshalb sind solche Mitbürger wie Manfred Stolpe dringend notwendige Faktoren der öffentlichen Meinung. Mich haben sein stetiger persönlicher Einsatz und seine Willenskraft oft beeindruckt. Er hat zwar selbstironisch seine „freundlich verpackte Sturheit“ eine große persönliche Charakterschwäche genannt. Aber anders als manche anderen pommerschen Dickschädel hat er in beiden Hälften seines Lebens nicht das Augenmaß für das Mögliche und für das Machbare verloren – nicht als Konsistorialpräsident in der DDR, nicht als Brandenburgs Ministerpräsident und auch nicht als Bundesminister.

Immanuel Kant hat gesagt, Friede sei nur möglich, wenn wir uns jeden Tag um ihn bemühen. Im besten Sinn des großen preußischen Pflichtphilosophen ist Manfred Stolpe ein Friedensstifter.

Lieber Manfred Stolpe, Sie verdienen unser aller Dank und Respekt!

  (Europäische Kulturstiftung, Artikel-Nr. 336)

Angelegt am 04.12.2013 12:52.

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